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Haltung
Milchvieh wird in den meisten Fällen in Laufställen mit Liegeboxen gehalten. Teilweise besteht ein Zugang zu einem befestigten Auslauf und zu regelmäßigem Weidegang. Insgesamt haben jedoch nur 31 % der deutschen Milchkühe durchschnittlich sechs Monate im Jahr Weidegang. Ein großer Teil der Tiere wird ausschließlich im Stall gehalten.
Für Bio-Milchviehbetriebe ist ein ständiger Zugang zu Freigelände, vorzugsweise zu Weideland, vorgeschrieben.
In 13 % der deutschen Betriebe ist die Anbindehaltung zu finden (Stat. Bundesamt, 2020). Hierbei werden die Tiere im Winter ganztägig und in der Weidesaison halbtägig im Stall angebunden. Die restliche Zeit verbringen sie auf Weiden. Diese Haltungsform ist in Deutschland theoretisch verboten, da sie den Tieren nur einen minimalen Bewegungsspielraum ermöglicht. Vor allem für kleine Betriebe, die sich vornehmlich in süddeutschen (Berg-)regionen befinden, gibt es allerdings Ausnahmeerlaubnisse durch sogenannten Bestandsschutz. Als Argument wird beispielsweise angeführt, dass die Betriebe nicht die finanziellen Mittel für einen Stallumbau haben.
Fütterung
Mit dem Fokus auf Hochleistung wurde die Fütterung von Milchvieh in konventionellen Betrieben zunehmend von Gras und Heu auf Kraftfutter aus Getreide, Soja und Silomais umgestellt. Die natürliche Futtergrundlage wird somit entzogen und meist durch die sogenannte totale Mischration ersetzt, die aus Grassilage, Mais und Mineralkonzentrat besteht. Aufgrund des geringen Faseranteils können die Tiere mit dieser Fütterung pro Kilo Trockenmasse möglichst viel Energie aufnehmen.
Frisches Grünfutter erhalten die Tiere oft nur in geringen Mengen. Es wird entweder direkt auf der Weide aufgenommen oder als geschnittenes Gras im Stall angeboten.
Im Bio-Bereich ist eine ganzjährige ausschließliche Silagefütterung nicht zugelassen. Die Futterrationen müssen zu mehr als 50 % aus Raufutter (im Sommer überwiegend Grünfutter bei größtmöglicher Weidefütterung, im Winter Heu) bestehen und die Konzentrat- und Kraftfuttermittel sollten überwiegend Getreide und Körnerleguminosen enthalten.
Nachzucht
Die Nachzucht wird in vielen Betrieben nur wenige Stunden nach der Geburt von der Mutter getrennt. Das ist gerade genug Zeit, um die dickflüssige Erstmilch („Biestmilch“ oder Kolostrum) aufzunehmen. In dieser Kolostralmilch sind wichtige Antikörper enthalten, die das Jungtier zur Stärkung des Immunsystems benötigt. Die ersten Wochen ihres Lebens verbringen die Jungtiere oft alleine in sogenannten Kälberiglus oder sie werden in Kleingruppen in Boxen gehalten. In der konventionellen Haltung bekommen sie in der Regel einen zugekauften „Milchaustauscher“. Diese Flüssigkeit besteht aus billigem Milchpulver, das mit Pflanzenfetten versetzt wird. Im Bio-Bereich sind Milchaustauscher nicht mehr zulässig. Deshalb werden Bio-Kälber die ersten drei Monate mit frischer Vollmilch gefüttert, die aber nicht von der eigenen Mutter kommen muss.
Später werden die weiblichen Tiere in die Herde eingegliedert, während die männlichen Kälber früh zur Mast weiterverkauft werden.
Enthornung
Wenn Rinder nicht durch gezielte Zucht genetisch hornlos zur Welt kommen, werden sie häufig enthornt, um Verletzungen im Stall und Risiken im Umgang zu vermeiden. Laut Tierschutzgesetz darf die Enthornung bzw. Verödung der Hornanlagen nur bei Kälbern durchgeführt werden, die noch keine 6 Wochen alt sind. Ihnen werden unter Gabe von Beruhigungs- und Schmerzmitteln die Hornansätze abgebrannt.
Im Bio-Bereich ist das Enthornen nur mit Ausnahmegenehmigung erlaubt. Diese kann zum Beispiel erteilt werden, weil der Stall zu klein ist, wenn eine erhöhte Verletzungsgefahr der Mitarbeitenden besteht oder eine baldige Zucht mit hornlosen Rassen bevorsteht. Außerdem muss eine zusätzliche Betäubung durch eine Tierärztin oder einen Tierarzt stattfinden. Bei einigen Bio-Verbänden, zum Beispiel bei demeter, ist das Enthornen gänzlich verboten.
Neue Entwicklungen
Pionierbetriebe (z.B. der Völkleswaldhof oder das Hofgut Rengoldshausen) haben inzwischen Methoden gefunden, wie Kälber länger bei ihren Müttern oder bei Ammenkühen bleiben und die Mutterkühe dennoch gemolken werden können. Es konnte beobachtet werden, dass diese Kälber eine robustere Gesundheit entwickeln. Außerdem ahmen die Jungtiere ihre Mütter nach und beginnen schon früh nach der Geburt Grünfutter zu fressen, was wiederum die Pansenentwicklung begünstigt. Die klassischen Kälberkrankheiten wie Durchfall oder Atemwegserkrankungen werden seltener und die Tierarztkosten sinken entsprechend.
Der Weg, den Milch zurücklegt, bevor sie im Laden steht, ist meist lang und hat viele Stationen. Mutige Pionier*innen beweisen, dass Milchwirtschaft auch ganz anders funktionieren kann.
Ähnlich wie bei der Umstellung auf die Weidehaltung, verlangt eine solche Umstellung einiges vom Betrieb, sollte jedoch deutlich ausgebaut werden. Auch Initiativen wie die Haltung von sogenannten Bruderkälbern, also die Aufzucht und Mast von männlichen Jungtieren im eigenen Betrieb oder der Fokus auf Zweinutzungsrassen, zielen darauf ab, den Missständen der Milchviehhaltung entgegenzuwirken und finden immer mehr Anklang bei Verbraucher*innen.